Ukraine Krieg heute

Ukraine Krieg — ein vermeidbarer Konflikt:
Wirkung und Folgen der militärischen Eskalation und wie es dazu kam.

Ein Interview von puk.de mit Prof. Dr. Heinz Dieterich, Soziologe.

Prof. Dr. Heinz Dieterich
Prof. Dr. Heinz Dieterich

Der Konflikt aka Ukraine Krieg — Wie schätzt du die aktuelle Weltsituation nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine ein und für wie gefährlich hältst du die Situation?

Die Gefahr besteht darin, dass irgendjemand die reale Kräftekorrelation auf dem Schlachtfeld und in der Ökonomie nicht richtig versteht und eine übereilte Entscheidung trifft, die zum Atomkrieg führt. Das ist in jeder Kriegssituation eine Dynamik, die möglich ist und sich selbst verstärkt. Beide beteiligten Supermächte wissen, dass das der letzte Krieg wäre, der die Menschheit ausrottet. Die russischen Streitkräfte sind heute wohl die stärkste Militärmacht der Welt – nicht nur konventionell, sondern auch auf strategischem Gebiet: Vor allem die Hypersonic (Überschall) Raketen, die die USA nicht haben entwickeln können, können das wesentliche Aggressionsinstrument der USA, die Carrier Battle Groups (Flugzeugträger) praktisch lahmgelegen. Da diese militärische Situation im Wesentlichen zugunsten Russlands spricht, ist nur noch die Frage, ob Russland bereit wäre, diese Waffen wirklich einzusetzen. Das ist die große Frage.

Meiner Ansicht nach würde Putin es tun, weil die Existenz der Nation auf dem Spiel steht. Die Mobilmachung der Seestreitkräfte und der erdgebundenen Einheiten mit Atomwaffen, die in den Wäldern Sibiriens stationiert sind, ist eindeutig. Die USA wissen, dass Putin nicht blufft, sondern dass, wenn notwendig, Atomwaffen eingesetzt werden würden. Also denke ich, dass auf dem militärischen Gebiet die Kräfteverhältnisse völlig klar sind.

Auf dem ökonomischen Gebiet gibt es genauso viel leere Propaganda des Westens wie auf dem militärischen Gebiet. Auf dem militärischen Gebiet ist die Forderung, Kampfflugzeuge der NATO an die Ukraine zu senden, natürlich völlig pathetisch und absurd, weil es in der Ukraine keine Flugplätze gibt, die nicht bereits zerstört worden sind oder jederzeit zerstört werden können. Das ist also reine psychologische Kriegsführung. Und das gleiche gilt auf dem finanziellen Sektor. Gestern sind die Bankaktien in Mitteleuropa um 10 Prozent gefallen, weil diese „schlaue“ Idee, Russland aus der SWIFT-Organisation rauszuschmeißen, natürlich nicht nur Russland trifft, sondern auch das internationale Finanzkapital. Russland muss jetzt im März zum Beispiel 4 Milliarden Dollar für Staats-Bonds zahlen, aber es besteht nicht die Möglichkeit zu zahlen, weil die Logistik blockiert ist. Dann werden diejenigen, die das in ihren Konten merken, die internationalen Finanzinstitutionen sein.

Russland hat verlautbart, dass sie alle ausstehenden Zahlungen künftig nur noch in Rubel bezahlen werden.

Ja, das ist also, wie man früher so schön sagte, wie jemand im Glashaus sitzt und mit Steinen wirft und die eigenen Schäden wohl nicht bedacht hat, bevor der Mund so weit aufgerissen wurde, wie von Frau Baerbock zum Beispiel oder von Herrn Scholz. Diese ganzen Provinzpolitiker der Bundesrepublik, die keine wirkliche Ahnung von Weltpolitik haben. Und das gleiche gilt natürlich auf dem Energiesektor. Nachdem Baerbock große Worte gesprochen hat, dass man die Russen über die Energie-Deviseneinkünfte in die Knie zwingen müsste, ist ihr nun klar geworden, dass in wenigen Tagen die Elektrizität weg ist in Deutschland und das dann auch in wenigen Tagen der Sprit an der Tankstelle nicht mehr bezahlt werden kann. Wenn Otto Normalverbraucher vor dieser Situation steht, wird er sagen: Warum sollen wir unseren Wohlstand für die Ukraine opfern? Also gibt es einen großen Schritt zurück, weil langsam Ernüchterung eintritt, dass Putin nicht geblufft hat und auf allen Gebieten genauso hart zurückschlagen wird, wie das seine Gegner machen.

Wir sind im Moment, um das abzuschließen, meiner Ansicht nach in einer Phase der psychologischen Kriegsführung, in der es darum geht, was während des Vietnamkrieges „The Battle for Hearts and Minds“ genannt wurde: Der Kampf um die Herzen und die Köpfe der Bevölkerung zu gewinnen, der Weltbevölkerung. Und da ist der Westen natürlich im Vorteil, weil im Westen eben nur die Desinformationsmedien, die Fake-News-Medien der NATO gesehen werden können und die Kapitalisten schlau genug waren, rechtzeitig alternative Informationsquellen wie Russia Today und Sputniknews zu schließen. Heute wissen wir, dass das ein geplantes Manöver zur Kriegsvorbereitung war, aber selbst das wird sie nicht retten, weil heute die multipolare Welt doch zu viele Chancen bietet, sich zu informieren. Und langsam wird sich das internationale Gewicht der Manipulation verringern. Die Lügen des Westens, der NATO haben kurze Beine und ich denke, das wird nicht lange dauern, bis sie einlenken müssen.

Es ist allenfalls erwartet worden, dass die russischen Streitkräfte vielleicht in den Donbass einmarschieren, den Donbass sichern. Aber die wenigsten haben wohl damit gerechnet, dass Russland weiter in die Ukraine eindringen würde. Was ist deine Einschätzung dazu? Wieso ist das geschehen?

Seit langem geht eine Aggression von den USA gegen Russland aus. Selenskyj in der Ukraine ist ja nur ein Strohmann, ist eine Puppe, die bewegt wird von Washington. Der Krieg wird geführt vom Pentagon, von der CIA und so weiter. Aber die russische Intelligenz hat natürlich verstanden nach Jahrhunderten mit Krieg, mit Hitler, mit Napoleon, dass das strategische Ziel der US-Aggression nicht der Donbass war. Das strategische Ziel war natürlich die Kolonisierung Russlands. Das heißt die Rückeroberung der Krim, das heißt die Integration der Ukraine in die NATO, das heißt die wahrscheinliche Rückgabe von Atomwaffen an die Ukraine, die 1992 im Memorandum von Budapest praktisch verboten wurde, und das heißt, dass man in der Ukraine eine schlagkräftige Armee zur ständigen Erpressung Russlands schafft, mit 5 Minuten Flugzeit vor dem Einschlag von Raketen in Moskau. Dies alles sind Bausteine für die Zerschlagung der Weltmachtstellung Russlands und des Russlands, wie wir es heute kennen, insgesamt. Ich würde darauf später gerne noch genauer eingehen.

Dazu muss man sagen, dass nach russischen Militär-Analysen die heutige ukrainische Armee nicht mehr diese improvisierte Geschichte ist, wie 2014, als sie die Coloured Revolution gemacht haben, den Staatsstreich, sondern das heute die drei stärksten Streitkräfte in Europa erstens die russischen sind, zweitens die türkischen und drittens die ukrainischen. Das ist ein Faktum, das kaum bekannt ist. Als 2014 der Putsch triumphierte, aber der Angriff gegen Donbass und Luhansk fehlschlug und Russland die Gelegenheit nutzte, die Unabhängigkeit für die Krim militärisch zu sichern, mit der Mehrheit der Bevölkerung hinter sich, da entschloss sich die USA, einen neuen Versuch zu starten, der in der klassischen Counter Insurgency Operation begann, die sehr schreckliche Komponenten hatte. Wir wissen heute zum Beispiel, dass ab 2014 ungefähr 30 Laboratorien für die Entwicklung und Produktion von biologischen Waffen in der Ukraine installiert wurden, die alle finanziert worden sind vom Pentagon, der US-Armee. Und alle mit den klassischen Pathogenen der biologischen Kriegführung experimentierten wie Anthrax und Tuberkulose und diesen Geschichten. Und als die militärische Operation von Russland begann, am 24. Februar 2022, gab es eine Anweisung des ukrainischen Innenministeriums, dass alle diese pathologischen Proben in den Laboratorien und die Dokumente vernichtet werden sollten, was meiner Ansicht nach der Beweis dafür ist, dass es sich um die Vorbereitung von biologischer Kriegsführung handelte.

Der Plan nach 2014 war, einerseits subversive Counter Insurgency Techniken gegen den immer noch bestehenden russischen Einfluss anzuwenden, aber gleichzeitig die Streitkräfte zu einer modernen, schlagfähigen Armee zu machen. Und das wurde systematisch über US-Instrukteure gemacht. Die Pro Nazi-Bataillone wie das Asow-Bataillon wurden auf Militär-Akademien geschickt und sie wurden zu professionellen Militärs ausgebildet. Das Asow-Bataillon wurde direkt in die Nationalgarde integriert und dem Innenministerium unterstellt. Dazu kam die Ausbildung von internationalen Rechtsterroristen, alles finanziert über England und über die USA. Das heißt die Vorbereitung für einen neuen Angriff auf Donbass, auf die Krim, strategisch gerichtet gegen Russland, ist seit acht Jahren vorangeschritten.

Hinter der Osterweiterung der NATO steht der Plan, Russland aus dem internationalen Bereich der Konkurrenz herauszuziehen und in eine Bananenrepublik zu verwandeln, deren Rohstoffe man einfach ausbeuten könnte. Putin hat auf der Sicherheitskonferenz in München 2007 bereits davor gewarnt, diesen Plan der Osterweiterung weiter umzusetzen. Während der Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung 1990/91 wurde er von den Westmächten als nicht existent deklariert, und es wurde das feierliche Versprechen abgegeben, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Von Clinton wurde 1993 dann bewusst entschieden, diese Zurückhaltung ad acta zu legen und diesen Plan 1995 mit dem Angriff auf Serbien und 1999 mit dem Krieg gegen Jugoslawien brutal in die Wirklichkeit umzusetzen. Diese Strategie hat die russische Führung gekannt und sie hat seit langen Jahren dagegen agiert, politisch, diplomatisch.

Und die letzte Phase war das Minsker Abkommen von 2015, als der Militär-Versuch im Donbass und Lugansk scheiterte. Darin wurde ein Übereinkommen getroffen, dass die Ukraine nicht in die NATO geht, keine Atomwaffen, keine offensiven strategischen Waffen stationiert. Dieses Abkommen ist systematisch von den USA blockiert worden, weil die USA natürlich kein Interesse haben, eine Friedenslösung mit Verhandlungen zu erreichen, weil das einzige Interesse, das sie haben ist, Russland zu balkanisieren. Ähnlich, wie sie Jugoslawien balkanisiert haben, und wie sie auch danach China balkanisieren würden. Das ist das strategische Projekt. Und da waren die USA nicht bereit, eine Pause einzulegen mit dem Minsker Abkommen, um den Frieden in der Ukraine sicherzustellen, sodass die Toten, die wir heute sehen, sowohl Militärs auch die Zivilbevölkerung, eindeutig auf das Konto der USA gehen.

Das, was du gesagt hast zum Minsker Abkommen, das ist ja interessanterweise auch einige Tage vor Kriegsausbruch noch mal von der ukrainischen Regierung bestätigt worden, die durch einige Vertreter hat verkünden lassen, dass sie sich an das Minsker Abkommen nicht gebunden fühlt.

Trotzdem hat man den Eindruck, dass es eine geschlossene Front weltpolitisch gegen Russland gibt. In der Notstandsversammlung der Vereinten Nationen vor ein paar Tagen haben 141 Länder sich gegen Russland gestellt.

Nur fünf Länder haben für die russische Position gestimmt. Das waren neben Russland Belarus, Nordkorea, Syrien und Eritrea, also nicht gerade Länder, die man als globale Sympathieträger bezeichnen kann. 35 Länder immerhin haben sich enthalten, darunter auch China. Aber das ist ja auch nicht eine wirklich eindeutige Positionierung zugunsten Russlands.

Man kann also wohl durchaus sagen – so wie das auch von den europäischen und den NATO-Staaten dargestellt wird – dass Russland in der Welt isoliert ist — wie schätzt du das ein?

Ich denke, dass diese UNO-Abstimmung nicht unbedingt ein guter Indikator ist, um die angebliche Isolierung Russlands feststellen zu wollen. Wir können uns erinnern, dass jedes Jahr, bis auf die USA und Israel, alle Staaten, die in der UNO sind, die Blockade der USA gegen Kuba verurteilen. Da ist ein Bruch des Völkerrechts festgestellt und seit vielen Jahren stört das die USA nicht im Geringsten. Warum? Weil es keine reale Kraft gibt, diese Entscheidung durchzusetzen. Das gleiche gilt für die jetzige Diskussion. Dem Westen ist es gelungen, im Wesentlichen mit Lügen eine allgemeine Hysterie zu erzeugen unter Leuten, die nicht informiert sind. Mit einer gewaltigen internationalen Propagandamaschinerie und durch die Erpressung, die die ökonomische Macht der USA möglich macht, die Regierungen zu zwingen, sich entweder zu enthalten, mit der Sanktionsdrohungen, mit der Boykottdrohung, oder gegen die russische Position zu stimmen.

Meiner Ansicht nach muss man vorsichtig sein mit der Interpretation dieser Resultate. Mexiko, um ein Beispiel zu geben, stimmte für diese Resolution, also gegen Russland, aber hat es abgelehnt, die ökonomischen Sanktionen mitzumachen. Zum Beispiel ist der mexikanische Luftraum nicht gesperrt für russische Flugzeuge. Brasilien hat eine ähnliche Position. Und natürlich wissen wir, dass Venezuela, Kuba, Nicaragua nicht übereinstimmen mit der US-Aggression. Und China hat eine vorsichtige Position eingenommen, aber gerade gestern wurde erneut von China betont, dass die Allianz mit Russland „so fest wie ein Felsen ist“ und dass die USA nicht den Fehler machen sollten, ihre Politik zu wiederholen im Pazifik. Also zu versuchen, eine pazifische NATO zu bilden, wobei die Leute aus Washington schon eifrig dabei sind, mit Australien, Neuseeland, zum Beispiel und Japan natürlich.

Also ich denke schon, dass China völlig klar ist, dass sowohl China als auch Russland im Fadenkreuz sind. Und das kannst Du wirklich mit US-Dokumenten belegen. Du kannst anfangen mit der Geschichte. Die Entscheidung, die bolschewistische Revolution Lenins und Trotzkis zu bekämpfen, wurde fünf Wochen nach dem Sieg 1917 der Oktoberrevolution getroffen. Und die erste praktische Maßnahme, die folgte, war dann im August 1918 die Entsendung von 8.500 US-Soldaten nach Wladiwostok zur Unterstützung der weißen Konterrevolutionäre. Und zusammen mit den Engländern und Franzosen gab es Hunderte von Millionen von Dollar an Unterstützung, wie es jetzt wieder passiert mit der Ukraine, für die reaktionärsten Kräfte. Du hast also eine eindeutige historische Tendenz.

Dann wurden 20 Jahre lang praktisch keine diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion aufgenommen. Und dann kam in den 60er-Jahren der Plan Eisenhowers, dass man Russland und China dauerhaft aus dem Verkehr ziehen müsste. Das ist alles niedergelegt in strategischen Dokumenten, die inzwischen deklassifiziert sind und die von den National Security Archives in Washington veröffentlicht worden sind. In Dokumenten, die zusammengefasst sind unter dem Titel „Single Integrated Operational Plan“ (SIOP). Dieser Plan von 1961/62, gemacht unter der Präsidentschaft Eisenhowers, sah vor, dass man einen nicht angekündigten präventiven Nuklear-Schlag gegen Russland und gegen China durchführt, gegen den sino-sowjetischen Block, wie es hieß, um beide als „vival societies“ – als lebensfähige Gesellschaften und Konkurrenten aus der globalen Gesellschaft herauszuziehen. Der Schlag sollte gegen Bevölkerungszentren geführt werden und zum Teil gegen Industriezentren.

Das Erfolgskriterium für diese geplante Nuklear-Attacke waren die zivilen Verluste. Es ging also nicht wesentlich um die militärischen Installationen wie jetzt in der Ukraine, wo die russischen Militärs die Militärstützpunkte angreifen und nicht die Zivilbevölkerung, sondern es ging darum, die Zivilbevölkerung zu vernichten, so wie die USA es in Hiroshima und Nagasaki gemacht hatten. Als sie als einziges Land in der Geschichte der Menschheit Atomwaffen eingesetzt haben und, schlimmer noch, gegen die Zivilbevölkerung in beiden Städten. Ein unglaubliches kriminelles Vergehen, für das nie jemand zur Rechenschaft gezogen wurde. Und dieser SIOP-Plan sah also vor, dass 71 Prozent der urbanen Bevölkerung Russlands zu Tode gebracht werden würde, und etwa 53 Prozent der urbanen Bevölkerung Chinas massakriert würde durch die Attacke. Und der Plan war, dass in der Zukunft des American Century, die amerikanische Weltvorherrschaft keine Konkurrenten mehr hätten. Das ist der rote Faden der US-Außenpolitik.

Sekundär ist die ideologische Komponente, ob es ein kommunistisches System oder ein kapitalistisches ist. Die entscheidende Komponente ist, dass die entscheidende Macht, dass das Alphatier innerhalb des Ökosystems seine Regeln durchsetzt und alles umlegt, was damit nicht einverstanden ist. Das ist die Logik dieser Politik. Nun ja, das war 1961 und dann haben wir später die Aggressionen gegen China gesehen, von Trump und jetzt die Aggression gegen Russland. Das läuft alles in der gleichen Logik. Die NATO, die 1949 von zwölf Staaten gegründet wurde, angeblich um die Region des Nordatlantik zu verteidigen, hat heute über 30 Staaten und ist praktisch eine weltweite militärische Prätorianer-Garde der US-Interessen und die Ostausweitung der NATO ist natürlich Schritt für Schritt immer weiter entwickelt worden, bis die Ukraine im Grunde der letzte Schritt sein sollte, für Russland eine Endlösung herbeizuführen. Russland sollte balkanisiert werden und in der Intervention der USA in Wladiwostok 1918 waren bereits die Pläne für diese Balkanisierung angelegt.

Woodrow Wilson, der als „Peace Champion“ gefeiert wird, hatte vorgeschlagen, dass man ganz Sibirien in einen großen unterentwickelten agrarischen Staat verwandelt. Und dass man dazu vier, fünf kleinere Staaten im Westen Russlands hätte und das wäre dann natürlich alles gut zu kontrollieren gewesen. Das war im Grunde die gleiche Konzeption, die Hitler hatte für die Balkanisierung der Sowjetunion nach dem Endsieg — da gibt es kaum einen Unterschied. Und das, was in Jugoslawien praktiziert wurde, von Hitler und von der NATO. Also die Logik der Operation in der Ukraine ist völlig klar und jeder, der die historischen Dokumente der US-Außenpolitik kennt, weiß, um was es dort geht.

Es geht nicht um die Ukraine. Es geht natürlich nicht um die Menschen. Es geht natürlich nicht um Donbass, es geht nicht um die Krim. Es geht darum, Russland endlich zu einer kolonisierten Macht zu degradieren, aus der man Öl, Holz, Aluminium, Uranium, alles was dort produziert wird sehr billig und sehr schnell rausziehen kann, praktisch als ein neues Afrika. Das ist die entscheidende Geschichte. Und da Russland das verstanden hatte, sind sie bereit zu sagen: Okay, dann werden wir alle Waffen benutzen, die wir haben, einschließlich Atomwaffen.

Nun sind das ist natürlich alles historische Bezüge, die Du nennst. Und grundsätzlich ist es ja so, dass gerade für die Friedensbewegten und die Menschen, die sich als links verstehen, in den 70er-, 80er-Jahren eine offene Gegnerschaft da war zu den USA und zur NATO.

Und auch wenn man Kritik an der Sowjetunion gehabt hat, hat man tendenziell den Kollektivismus der Sowjetunion und dass man dort keine privatwirtschaftlichen Interessen hatte, immer auch als etwas gesehen, was zumindest vom Herzen her näher war als der reine, blanke Kapitalismus, der eben im Westen praktiziert wurde.

Nun hat sich ja die historische Situation geändert und auch Russland ist ein kapitalistisches Land mit Oligarchen, mit Wirtschaftskonzentration und einem starken militärisch-industriellen Komplex. Letzten Endes also eine Macht, die sich nur noch wenig unterscheidet von dem, was die westlichen Counterparts machen. Es ist schwierig für Linke, sich in so einer Situation zu positionieren. Wie siehst Du das?

Ich denke, dass die ideologische Frage im Grunde sekundär ist und dass die Begriffe links und rechts heute keine realitätsadäquate Interpretation mehr liefern. Was du sagst, das ist natürlich völlig richtig, dass Russland ein kapitalistisches System ist. Das zeigt, dass die ganzen ideologischen Begründungen der Politik gegen die Sowjetunion, dass keine freie Marktwirtschaft existiert usw. völlig nebulöse Propaganda war, die nie ein wirklicher Grund war. Der wirkliche Grund war immer, einen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Und ich denke, man muss den Kern des Konfliktes in der Ukraine richtig verstehen. Und ich denke, dass die Forderungen der Friedensbewegung in Europa falsch sind. Die stellen als erste Forderung den Abzug der russischen Truppen. Russland ist das Opfer der Aggression des westlichen Imperialismus, die erste Forderung müsste also sein: Abzug der US-Imperialisten und der britischen Imperialisten und der deutschen Imperialisten aus der Ukraine, Neutralität der Ukraine usw. Und danach dann könnten die russischen Truppen, die die Existenz ihrer Nation sichern, abziehen. Aber man kann nicht den Wagen vor das Pferd spannen, sondern man muss Ursache und Wirkung auseinanderhalten. Und in diesem Fall geht es eigentlich nur um die Frage: Wer ist verantwortlich für den Krieg? Und wie beendet man ihn? Um diese menschliche Tragödie zu vermeiden. Verantwortlich sind, das ist völlig klar, die USA. Das ist im Grunde wie der Zweite Weltkrieg. Die USA hatte 1940, als der Krieg in Europa und in Asien schon begonnen hatte, die Möglichkeit, aufgrund ihrer insulären Position, nicht am Krieg teilzunehmen. Es gab eine sehr starke Stimmung in der Bevölkerung, wie auch im Ersten Weltkrieg, gegen den Eingriff der USA in den Krieg in Europa. „Das ist ein Krieg der Europäer und die sollen das erledigen. Warum sollen wir dafür sterben?“ Und ebenso mit Japan im Pazifik. Dann schrieb Henry Louis 1941 in der Zeitschrift „Time“ seinen Artikel „The American Century“. Da sagt er eine Phrase, die ist fundamental, um die US-Außenpolitik zu verstehen. Er sagte: „This is not a war of neccessity“. Das ist kein Krieg der Notwendigkeit, wir sind nicht gezwungen, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten. „This is a war of choice“ – das ist ein Krieg, den wir wählen können. Wollen wir reingehen oder nicht? Und dann gab er die Argumente, warum die USA eintreten sollten. Die Argumente waren, dass der Sieg der Nazis, der 1940/41 relativ klar war, in Europa eine Macht schaffen würde mit der Kontrolle der Industrie in Mitteleuropa, mit der Zerstörung der britischen Flotte und der Kontrolle der Gebiete in Polen und in der Ukraine und so weiter, die eine größere Machtposition hätte als die USA. Die USA somit in eine Subordinationsrolle auf Weltebene gezwungen würden. Und das könnten die USA nicht erlauben. Das gleiche galt im Pazifik. Man musste also auf beiden Seiten des US-Kontinentes einen Krieg führen, um auf beiden Seiten die Rivalen, die damals Japan und Nazi-Deutschland hießen, zu beseitigen. Das war der Grund. Das war „The War of Choice“ des American Century. Franklin Delano Roosevelt war das Instrument, das zu verwirklichen. Mit den Nazis wurde das mit dem Land Lease Programm gemacht. Und im Indo-Pazifik mit der wirtschaftlichen Erdrosselung Japans, so ähnlich wie das, was jetzt in der Ukraine mit Russland versucht wird. Und dann der Angriff auf Pearl Habor, den die USA erwartet hatten, weil Japan nur die Chance hatte zu kapitulieren und sich in eine Neo-Kolonialmacht zu verändern sowie das, was man mit Russland will, oder den Krieg gegen die USA zu beginnen. Das waren die Ursachen und das ist im Grunde die gleiche Logik, die heute wieder in der Ukraine praktiziert wird.

Seit 1991, nach dem Versprechen, nicht die NATO an die Grenzen Russlands zu bringen, ist systematisch 30 Jahre lang dieses Versprechen gebrochen worden und die Vorbereitung für die Kolonisierung Russlands konsequent vorangetrieben worden — und zwar militärisch. In Serbien und so weiter. Und das ist eine Tendenz, die ist im Grunde wie in einem lebenden Organismus ein Krebs. Du musst ihn in einem Moment stoppen oder er tötet Dich. Und daher blieb Russland keine andere Möglichkeit, als jetzt zuzuschlagen, um die Vorbereitungen für die finale Kolonisierung Russlands zu verhindern. Und das ist gelungen, wie Putin sagt, wenn die Offensive Russlands ihre Ziele gegen die militärische Infrastruktur und für die Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine erreicht hat. Und solange das nicht erreicht ist, wird man keine Friedensverhandlungen erfolgreich führen können.

Das sind natürlich Dinge, die du erzählst, die sehr viel historisches Wissen voraussetzen, auch einen sehr analytischen Blick auf die Geopolitik. Das ist ja nicht das, was man von den normalen Menschen erwarten kann. Und Russland mag militärisch in der Ukraine zwar überlegen sein, aber mein Eindruck ist, dass Russland massiv diesen Krieg in den Medien verliert.

Also wohin man schaut, man sieht hier Menschen, die sich sonst in anderen sozialen Bewegungen engagiert haben, in Deutschland heute mit Ukraine-Fahnen durch die Straßen marschieren, mit Bildern, die Putin als Hitler-Verschnitt zeigen, die zu bedingungsloser Solidarität mit der Ukraine aufrufen, die den Angriffskrieg Russlands verurteilen.

Da findet ja eine sehr starke Polarisierung der Gesellschaft statt, wobei der eine Pol der Gesellschaft nur noch ganz klein und marginalisiert ist. Und man kann schon fast von einer Massenbewegung „Anti Russland“ reden. Wie schätzt Du diese Polarisierung ein und wie ist das in anderen Teilen der Welt? Wie ist es in Lateinamerika? Wie sieht das in Mexiko aus, zum Beispiel?

Ich denke, dass in Mexiko die Ideologisierung der Bevölkerung, obwohl das natürlich auch klassenmäßig unterschiedlich ist, nicht so stark vorangeschritten ist wie in Europa. Ich denke, wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir Staatsbürger haben, die immer noch mit den Instrumenten des Zeitalters der Vernunft, der europäischen Aufklärung arbeiten. Die also rational verstehen können, was in der Realität passiert, die den Unterschied erkennen zwischen objektiver Wahrheit und subjektiver Wahrheit, zwischen Lüge und Wahrheit. Das ist im Grunde weitgehend vorbei, unter dem Einfluss von neuen Manipulationstechniken wissenschaftlicher Natur. Chomsky hatte angefangen, das zu analysieren über Manufacturing Consent, die Fabrikation des Konsenses. Aber heute ist das natürlich hundertmal weiterentwickelt. Eine große Rolle spielt die „Social Identity Theory“, die praktisch jedes kollektive Handeln und Verständnis der Realität unmöglich macht. Du kannst also heute sieben, acht, neun wissenschaftliche Paradigmen nennen, die benutzt werden, um den vorherigen rationalen Staatsbürger praktisch in ein Pawlowschen Hund zu verwandeln. Was ist das Spezifische des Pawlowschen Reflexes? Dass Du eine Reaktion des Opfers redeterminierst. Du programmierst ihn und er handelt wie ein Roboter. Du drückst auf einen Knopf und das Opfer handelt entsprechend. Nun will Elon Musk mit NeuraLink das gleiche noch weiter vorantreiben und die robotisierte Entmachtung des Bürgers weiter voran führen. Aber die Jugend ist inzwischen so weit, dass sie für jeden Schwachsinn auf die Straße gehen ohne die Moden, die das System inszeniert, um sie abzulenken von den wirklich entscheidenden Geschichten, als solche zu identifizieren. Die Arbeitslosigkeit, die Arbeitshetze, die schlechte materielle Situation der armen Bevölkerung, die Kriegsvorbereitung, die BRD-Militärs im Ausland usw., das alles wird nicht diskutiert, weil man über Vogue diskutieren und protestieren muss, weil man über etwas diskutieren muss, was individuelle Probleme sind und keine kollektiven gesellschaftlichen Probleme. Und diese ganzen aufgeblasenen, hochgespielten Themen, da kommt der Fußball da noch mit rein, die bringen die Leute auf die Straße und die reagieren, wie sie programmiert werden. Also das Phänomen der Mode, der Massenpsychose, der Massenhysterie, des Massenverhaltens ist heute so weit vorangeschritten, dass selbst so konservative Leute wie Henry Kissinger Angst davor haben, dass die wesentlichen Standards der Illustration, des Verständlich-Machens eines Sachverhalts, verlorengehen. Und wir nur noch Leute haben, die reagieren auf das, was das System ihnen vorgibt. Kissinger hat interessanterweise sich ein Jahr lang mit einem Chef eines der Hightech-Konzerne jeden Sonntag getroffen und mit einem Professor vom MIT, wo sie das Problem analysiert haben. Das Problem, das im Grunde von Donald Trump öffentlich gemacht wurde. Diese technische Robotisierungstendenz von Zuckerberg, von Musk und so weiter, die Trump politisch schon vor 2016 umgesetzt hat und die dann später: „Die Epoche nach der Wahrheit — Post Truth Era“ genannt wurde. Du hast nicht nur ein Recht auf Deine eigene Meinung — your own opinion — Du hast auch ein Recht auf Deine eigenen Fakten, your own facts. Und eine eigene Wahrheit — your own truth. Denn da ist keine objektive Wahrheit. Und diese Zerstörung der elementaren, rationalen Standards des Erkennens und der Weltreaktion ist soweit vorangeschritten, dass Du Leute auf der Straße hast, wie in Berlin 100.000 Leute, die nicht informiert sind, die die Hintergründe nicht kennen und die wie pawlowsche Hunde dem hinterherlaufen, was das System ihnen vorgibt. Das ist das große Problem heutzutage. Das ist auch das Problem der Linken. Die Linke denkt immer noch in den Termini der 60er-Jahre. Dass du ein rationales Individuum vor Dir hast, das Du mit einem rationalen Modell der Gesellschaftsveränderung bewegen kannst. Diese Rationalität existiert nicht mehr und Du siehst es in den Wahlen. Du siehst es in diesen Demonstrationen, Du siehst es in dem Sich-Verlieren, in den trivialisierten Metaversen, nicht nur von Zuckerberg. Im Grunde existieren diese Meta-Universen ja schon, Du siehst sie überall. Du hast eine völlige Ideologisierung und Dekulturation der Bevölkerung und vor allem der Jugend, die es möglich macht, dass Leute Dinge unterstützen, die schädlich für sie selbst sind. Denn natürlich wird die deutsche Bevölkerung ihren Preis zahlen müssen. Sogar die Walküre Ursula von der Leyen, die Führerin des deutschen Imperialismus in Brüssel, wo natürlich das deutsche Kapital regiert, hat inzwischen zugegeben, dass ein Preis gezahlt werden muss in Deutschland für die Politik in der Ukraine. Was brauchst Du mehr, um zu reagieren in der deutschen Bevölkerung und sofort das Abwählen dieser Person und ihrer Partei zu fordern? Hättest du rationale Staatsbürger, dann hättest Du sofort eine Reaktion. Oder die schwachsinnigen Äußerungen von Baerbock, die keine Ahnung hat von Weltgeschichte und von Weltpolitik, ebenso wie Truss, die Außenministerin in London oder die Kriegsministerin in der Bundesrepublik. Leute, die keine Ahnung haben von Weltpolitik, von Weltgeschichte, die keine Kultur haben, und die einfach nur exekutieren, was die USA ihnen sagen. Denn für die gibt es nichts Größeres, als von Biden auf die Schulter geklopft zu werden und gesagt zu bekommen: Ja, Du bist ein treuer Partner, Du bist für Demokratie und Freiheit und Marktwirtschaft. Also eine völlige Zerstörung der politischen Kultur, des historischen Bewusstseins in Europa, ähnlich in Lateinamerika, obwohl Lateinamerika nicht ganz so vorangeschritten ist, weil bei uns die nackte Wahrheit des Kapitalismus auf der Straße ständig zu sehen ist. Zum Beispiel mit den 50 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Mexiko, Autoscheiben putzend an der Ampel, wofür keine wirtschaftliche Notwendigkeit besteht, aber die ja irgendwie auch überleben muss.

Da möchte ich gleich noch mal einhaken an der an der Stelle — und Du hast es gerade angesprochen. Es ist ja offenkundig, dass die ganzen Maßnahmen, die jetzt umgesetzt werden, die Wirtschaftssanktionen, dass die ganz stark auch Europa und ganz stark auch Deutschland betreffen werden.

Da wird ja ganz offenkundig massiv Politik gegen die eigenen Interessen gemacht, also mit der Aufkündigung von Nord Stream 2 und der Ankündigung, amerikanisches Fracking-Gas zu importieren, stellt man sich z.B. gegen eigene Klimaschutz-Bemühungen: man akzeptiert einen zehnfach höheren Preis.

Russland ist immerhin der 15.-wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik. Also auch da werden ja Verbindungen gekappt, die auch zu Lasten der deutschen Wirtschaft gehen. Das heißt, hier wird eine Politik betrieben, die massiv die eigenen Interessen einschränken. Wo liegen denn eigentlich die Vorteile, denn Vorteile muss es ja an dieser Stelle auch geben?

Ja, die Vorteile liegen darin, dass man verhandeln kann mit den USA über die Verteilung der eventuellen Gewinne, die aus der Zerstörung Russlands resultieren könnten. Das europäische Kapital muss natürlich beteiligt werden an der Ausbeutung, aber es ist sinnvoll zu sehen, welche Fraktion bevorzugt werden bei diesen Maßnahmen. Scholz hat ja 100 Milliarden Euro einfach mal so aus der Kasse gezogen für die deutsche Rüstungsindustrie. Die Aktien von Rheinmetall sind sprunghaft angestiegen, ebenso wie Lockheed Martin in den USA. Die Rüstungskonzerne haben natürlich Riesenaufträge bekommen. Die Kriegstreiber im Militär sind natürlich happy damit und die Leute, die im Militär noch ein bisschen Rationalität hatten, wie der Chef der Marine der Bundesrepublik, der gesagt hat, die Realität ist, dass die Krim nicht zurückzuholen ist und der daraufhin seinen Hut nehmen musste.

Das ist eine Politik, die nicht blind gegen die Interessen der Bundesrepublik verstößt. Aber sie verstößt bewusst gegen die Interessen der arbeitenden Bevölkerung. Und sie fördert bestimmte Machtgruppen innerhalb des Systems. Und nun muss man sehen, wie diese Machtgruppen reagieren. Siemens zum Beispiel hat sich zurückgezogen aus dem Projekt der großen Eisenbahn von Sibirien nach dem europäischen Russland. Aber Bayer hat sich entschlossen, zu bleiben in Russland, das heißt, das Kapital ist gespalten über die Politik, die man machen sollte.

Die Franzosen, die erst große propagandistische Sprüche gemacht haben, haben jetzt, wie wir erfahren haben, die Anweisung von der Regierung bekommen, sich in Ruhe zu verhalten und nicht einfach mal schnell rauszugehen aus Russland. Denn wer weiß, wie die Situation sich entwickeln wird. Das heißt, wir müssen zwischen dem großen Nebel-Vorhang der Propaganda unterscheiden und dem, was wirklich gemacht wird. Nimm zum Beispiel die Agrarindustrie. Russland ist der größte Exporteur von Fertilizers (Düngern) und in den USA sind die Preise für diese Fertilizer praktisch verdoppelt worden, sodass die Lebensmittelpreise sich praktisch verdoppeln werden für bestimmte Produkte wie Weizen und so weiter in den USA. Wenn man — und das ist die größte Frage — wenn man überhaupt einen materiellen Ersatz schaffen kann. Aber das geht in vielen Fällen nicht.

Es ist die gleiche Geschichte mit dem Beispiel, das Du angesprochen hast über Öl und Gas. Die USA können in den nächsten drei Jahren ihre Importe von Öl und Gas aus Russland nicht über Fracking decken. Die Fracking-Industrie braucht drei Jahre, bis sie ihre Produktion erhöhen kann. Es gibt auch keine brachliegenden Reserven in den arabischen Ländern. Das heißt also, das ist ein absolutes Datum, das die Lücke in der Versorgung mit Fertilizern, mit Gas, mit Öl nicht geschlossen werden kann in einigen Jahren. Das gleiche wird passieren mit der Finanzindustrie.

Das heißt also, der Effekt, der Schadenseffekt für die unterschiedlichen Kapital-Gruppen ist unterschiedlich und für mich sind die Chefs von Volkswagen, Mercedes und so weiter, die sofort gesagt haben, wir ziehen uns zurück aus Russland, einfach provinzielle kapitalistische Bonzen, die keine strategische Weitsicht haben. Denn es ist klar, dass solange China Russland unterstützt — und es wird sie unterstützen — Russland nicht gebrochen werden kann. Dazu kommt, dass das zweite bevölkerungsreichste Land der Erde, Indien, ebenfalls den Boykott nicht mitmachen will. Es heißt also, es gibt im Grunde keine Macht des Westens, wirklich Russland ökonomisch zu zerstören, außerhalb ihrer Propaganda-Vision. Und wenn die deutschen Manager so schwachsinnig sind, dass sie diesen Propaganda-Versprechungen folgen, dann kann man nur sagen, dass die Leute an der falschen Stelle sitzen und das bezahlen werden, wenn sie sich da rausziehen.

Die Verlogenheit wird auch an so einer Stelle deutlich, wenn jetzt aktuell die USA Gespräche mit Venezuela führen oder auch versuchen, wieder Verbindungen zu dem Iran herzustellen, weil man offenkundig weiß, dass es nicht gelingen wird, einfach ohne Weiteres alle Verbindungen nach Russland zu kappen. Dafür ist man auf andere angewiesen.

Aber wenn es diese ganzen zentralen Abhängigkeiten gibt und wenn diese Sanktionen dann letzten Endes auch den westlichen Ökonomien selbst schaden, muss man dann das, was aktuell auf militärischer Ebene geschieht: die Androhung einer Flugverbotszone, die Androhung der Lieferung von Kampfflugzeugen und weiteren Waffen in die Ukraine, muss man das dann nur als Säbelrasseln in der Öffentlichkeit deuten und in Wirklichkeit laufen dann doch schon Gespräche, das auf andere Art und Weise zu beenden?

Ich denke, dass keine wirkliche Verhandlungsbereitschaft des Westens da ist. Die wird erst dann eintreten, wenn der Westen akzeptiert, dass die NATO sich nicht ausdehnen kann in die Ukraine. Und bis jetzt ist diese Bereitschaft nicht zu erkennen. Ich denke, erst wenn die militärische Niederlage komplett ist, könnte man darüber reden, aber die jetzigen Informationen laufen darauf hinaus, dass Washington im Grunde ein neues Afghanistan installieren will im Herzen Europas, in der Ukraine.

Mit einer Exilregierung, die ihren professionellen Lügner Selenskyj installiert in London, mit dem narzisstischen Schwachkopf Boris Johnson oder in Krakau mit diesen selbstmörderischen rechten polnischen Politikern, die immer die Existenz der Nation aufs Spiel setzen. Und andererseits den Aufbau einer Guerilla-Struktur finanziert, organisiert, mit Waffen versorgt von den USA. Diesem Ziel dient die Anlegung von Waffendepots und Munitionsdepots. Weil im Grunde natürlich jedes militärische Verständnis zeigt, dass der Krieg verloren ist für Selenskyj und seine Nazi-Bataillone. Also im Grunde geht es jetzt bereits um die Vorbereitung der Nachkriegsphase.

Und das ist im Grunde das, was der General Reinhard Gehlen, der Chef der militärischen Aufklärung von Hitler für die gesamte Ostfront 1945 mit den USA praktisch vereinbarte. Die USA wusste natürlich, dass diese „Entente cordiale“, diese strategische Allianz mit der Sowjetunion, nicht anhalten würde. Und dass man also schon 1945, als der Frieden geschlossen wurde, sich vorbereitete auf den nächsten Krieg und der Krieg war natürlich gegen die Sowjetunion.

Aber das Problem der USA und der Engländer war, dass sie nicht ein Netzwerk von Informanten und Saboteuren hatten in den osteuropäischen Gebieten. Derjenige, der diese Informationen hatte, waren die Nazis. Und zwar der General Reinhard Gehlen, ein Berufsmilitär, der — als der Zusammenbruch der Nazis kurz bevorstand — seine gesamten Karteien mit 30.000 Karteiblättern, mit Informanten und so weiter vergrub in der Nähe von München im Allgäu und sich dann den Amis stellte. Die haben ihn dann ja gleich ausgeflogen in die USA und dort hat er den Bundesnachrichtendienst dann unter der Kontrolle der CIA aufgebaut. Und Tausende von Mitarbeitern der Gestapo, der SS und so weiter rekrutiert in München, Pullach, wo die Zentrale war und bis heute ist. Und diese Basis wurde dann benutzt. Die Informationsbasis, die Saboteursbasis und so weiter, um jahrelang Sabotageakte gegen das sowjetische Regime in der Ukraine auszuführen.

Und das ist der Plan, der jetzt gemacht wird. Man muss jetzt die Infrastruktur personeller Art waffenmäßig, informationsmäßig, logistikmäßig schaffen, um, wenn die neue Regierung kommt, nach der Flucht von Selenskyj, eine funktionsfähige Operationsbasis für die Sabotage der neuen Regierung zu haben. Das ist das Projekt. Und es gibt also keinerlei Bereitschaft, eine Verhandlungslösung zu machen, wie sie zum Beispiel zwischen Kennedy und Chruschtschow erfolge in der Raketen-Krise 1962 in Kuba, eine Krise ähnlich wie die jetzige. Und die Logik des Handelns Bidens und Putins sind praktisch die gleiche.

Als Kennedy der US-Bevölkerung verkündete, dass Atomraketen in Kuba wären und dass er eine Blockade, eine Seeblockade durchführen wird und bereit wäre, Atomwaffen einzusetzen, um sie durchzusetzen, stand die Welt 14 Tage lang am Rande des Weltkrieges. Am Ende kamen Chruschtschow und Kennedy zu einer Einigung folgender Art: Ein quid pro quo. Chruschtschow akzeptierte, die Nuklearraketen abzuziehen und Kennedy akzeptierte, seine ballistischen Raketen aus der Türkei abzuziehen, in einem Geheimvertrag, den die machten. Und zuzusichern, nicht in Kuba zu intervenieren. Auf dieser Basis wurde verhandelt und so wurde die Krise gelöst. Da war Bereitschaft von beiden Seiten, den Atomkrieg zu verhindern. Und diese Bereitschaft ist heute nicht da. Die USA erhalten weiter die Illusion aufrecht, dass sie die unipolare Weltgesellschaft, die sie dominieren, weiter fortsetzen können, obwohl das, was in der Ukraine passiert, im Grunde das Durchbrechen dieser US-Weltkontrolle ist und im Grunde die Geburtswehen der multipolaren Gesellschaft sind.

Die USA versuchen ein multipolares Weltsystem mit drei Entscheidungszentren USA, Russland und China zu blockieren. Mit ihren neokolonialen Protektoraten in Europa. Das ist ein anachronistischer Versuch, der leicht zur Ausrottung der Menschheit führen kann, wenn man da nicht aufpasst. Die USA, die von ihr geführte NATO, sind nicht bereit zum Verhandeln. Jedenfalls noch nicht und sie spielen weiter mit dem Feuer des militärischen Sieges, der unerreichbar ist, wie jeder realistische Analytiker weiß. Aber es geht auch wieder um Wahlen in diesem Jahr. Im November sind Wahlen in den USA, die sehr wahrscheinlich dazu führen, dass die Demokratische Partei die Kongress-Kontrolle verliert und damit auch die Präsidentschaftswahlen 2024, für die Trump zurückkommen wird. Daher muss natürlich jetzt die Macho-Politik gemacht werden. Das Einstehen für die Demokratie, gegen die Diktatur, die ganzen aufgeblasenen schwachsinnigen Propaganda-Memes, die das System benutzt.

Also ich denke, dass keine Bereitschaft da ist, eine wirkliche Verhandlungslösung zu akzeptieren. Denn es wäre sehr einfach. Man bräuchte nur zu sagen: Okay, die Ukraine wird ein neutraler Staat sein wie Finnland oder Österreich nach 1945. Keine NATO und so weiter. Und damit sind die russischen Sicherheitsinteressen und eine euro-asiatische Sicherheitsarchitektur gewährleistet für alle. Und anstatt das zu sagen, wird weiterhin die Menschheit an der Nase herumgeführt mit dem Gedanken, dass die USA und die Europäer noch die Macht haben, ihre Interessen einseitig durchzusetzen. Neokoloniale Interessen durchzusetzen. Also ein gigantisches Betrugsmanöver der Weltbevölkerung im Grunde.

Welche Strategie gibt es für Russland? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Russland die Ambitionen hat, sich in einen langjährigen Konflikt hineinziehen zu lassen, der letzten Endes dann natürlich auch zu innenpolitischen Problemen führen wird.

Ja, in der Tat. Die USA versuchen natürlich, das zu wiederholen, was ihnen in Vietnam passiert ist und was der Sowjetunion in Afghanistan passiert ist. Die andere Weltmacht auszubluten über einen Krieg, der nicht zu gewinnen ist, interne Schwierigkeiten mit der Bevölkerung zu produzieren und so weiter. Das ist natürlich einer der zentralen Vektoren dieser Politik. Aber natürlich weiß Putin, dass das ein Teil ihres Planes ist und deshalb wiederholt er ständig, dass keinerlei Absicht besteht, irgendeinen Teil der Ukraine zu annektieren. Die Krim wird natürlich nicht zurückgegeben und Donbass und Lugansk werden weiterhin als unabhängige Staaten anerkannt.

Aber es gibt keine Annexions-Interessen oder auch Separations-Interessen Russlands in der Ukraine, weil er wüsste, dass jede Politik dieser Art sehr leicht in das Gegenteil ausschlagen könnte, in eine antirussische Position der ukrainischen Bevölkerung gegen die neue Regierung. Und das würde dann natürlich zu einem endlosen Guerillakrieg führen, den man im Herzen Europas im Grunde nicht gewinnen kann, da staatsterroristische Methoden dort nicht angewendet werden können, wie das die USA in den Kolonial-Gebieten gemacht haben. Wie in Vietnam zum Beispiel.

Ich komme dann zu meiner letzten Frage. Welche Möglichkeiten siehst Du, den Konflikt zu beenden und welche Empfehlung kannst Du geben? Den Menschen, die besorgt sind über den Krieg, die sich jetzt in der Friedensbewegung engagieren? Was können diese Menschen jetzt tun?

Ich denke, der erste Schritt ist, das Problem zu erkennen. Es ist im Grunde so, wie wenn Du eine schwerwiegende Krankheit hast, dann muss die Diagnose richtig sein, damit Du die Ursache-Wirkung-Kette erkennen kannst. Wenn Du die Ursache des Problems kennt, dann kannst Du versuchen, das Problem zu lösen. Die erste entscheidende Information für die Bevölkerung ist, ihr zu zeigen, dass der Aggressor nicht Russland ist. Sondern dass der Aggressor die USA sind. Und das ist sehr leicht zu machen, weil die dokumentarische Evidenz überwältigend und unwiderlegbar ist.

Das ist der erste Punkt. Die Leute müssen verstehen, wer für den Krieg verantwortlich ist. Die USA, Boris Johnson und natürlich der europäische Imperialismus. Im Gegensatz zu der vorherigen CDU-Chefin, die das politische Zentrum zu wahren wusste, sind diese Extreme durch von der Leyen, Baerbock und Lambrecht, die wir jetzt sehen, völlig subordiniert, den Interessen des US-Imperialismus gehorchend bereit, in eine lebensgefährliche militärische Konfrontation mit der stärksten militärischen Weltmacht einzutreten.

Es ist also die große Aufgabe, meiner Ansicht nach, den pädagogischen Zugang zu finden zu den Leuten, die total indoktriniert sind, total dogmatisiert sind und voll mit Lügen sind. Durch die deutschen Desinformationsmedien, praktisch NATO-Medien, von Augstein über Bild-Zeitung über Tagesschau usw. Ich denke, da ist wichtig zu fragen, warum alternative Medien wie Russia Today, Sputniknews usw. verboten wurden. Sowohl in England als auch in Deutschland und so weiter. Es ist einfach so, dass ihre Lügen keine offene Diskussion mit der Wahrheit ertragen können. Also muss die Wahrheit verboten werden, wie das in Preußen immer gemacht wurde mit der Polizei, mit der Zensur und wie Stalin das machte. Ich denke, das ist die schwierigste Aufgabe, innerhalb einer total polarisierten, ideologisierten, manipulierten Bevölkerung den Ansprechpunkt zu finden, der sie bereit macht, zu reden.

Und ich denke, man muss an ihre praktischen Interessen appellieren, dass diejenigen, die den Krieg bezahlen werden, die arbeitende Bevölkerung ist und die Armen. Nicht die Kapitalisten, nicht die Rüstungsindustrie, die daran verdienen werden und so weiter. Und natürlich auch nicht die Politiker, die große Entscheidungen treffen, aber natürlich in Sicherheit sind, weil ihnen nichts passieren wird. Ich denke, man muss klar machen, dass es ein Krieg der herrschenden Klasse der Bundesrepublik ist, vor allem der politischen Klasse gegen die objektiven Interessen der Bevölkerung der Bundesrepublik. Also wie das z.B. früher, im Ersten Weltkrieg, Rosa Luxemburg sagte: Den Krieg der Imperialisten in einen Krieg der Klassen zu verwandeln. Natürlich kann man diese Sprache nicht verwenden heutzutage. Aber man muss zeigen, dass der Krieg von denen gemacht wird, die absolut kein Interesse haben, für die Bevölkerung zu arbeiten, sondern nur für die Interessen der Plutokratie und der USA.

Es ist sehr schwierig in der jetzigen Situation, aber es gibt keine andere Möglichkeit, als das zu machen. Aber ich erinnere mich an die Ostermärsche 68 und so weiter. Und unsere Situation war auch marginal. Ja, die Studentenbewegung war marginal. Die Arbeiter waren gegen uns. Die Bevölkerung war gegen uns. Im Allgemeinen schlug Dir eine Welle des Hasses entgegen, wenn Du demonstriert hast. Sei es wegen Vietnam, sei es wegen Notstandsgesetzen oder was auch immer. Weil damals die Bild-Zeitung im Grunde eine völlige ideologische Kontrolle über die Bevölkerung hatte, mit sechs Millionen Auflage und Du auf jeder Demonstration den Hass verbal gespürt hast und manchmal auch physisch. Also die Situation ist vielleicht nicht ganz so unterschiedlich zu dem, was in den 60er-Jahren war und das Problem ist, Du musst natürlich eine ziemliche Ich-Stärke haben, um sich dem auszusetzen und trotzdem gegen den Mainstream zu protestieren.

Aber es gibt keine andere Möglichkeit, als die Bewusstseinsbildung voranzutreiben. Und das müssen Leute machen, die verstehen und die bereit sind, mit denen, die man erreichen kann, zu reden.

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